DGCS Stift
VUKA
Agiles Management
Management allgemein
04.04.2023

Löst agiles Management das Controlling in der Sozialwirtschaft ab?

Mit dem Begriff der VUKA-Welt wird zusammenfassend beschrieben, dass die Rahmenbedingungen für soziale Unternehmen durch Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität (Mehrdeutigkeit) geprägt sind. Das ist zwar ein neuer Begriff, aber von der Sache her nicht wirklich neu. Bisher sprachen wir von einer zunehmenden Entwicklungsdynamik. Diese Dynamik wird sich unter dem Einfluss der aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen (Megatrends) wie u.a. Digitalisierung, Urbanisierung, Individualisierung und der demografischen Entwicklung weiter verstärken. Dies bildet sich auch in den aktuellen gesetzlichen Veränderungen von den PSG I, II, III, BTHG oder auch den Diskussionen um die Novellierung des SGB VIII ab.

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Auch die Sozialwirtschaft spürt die zunehmende Veränderungsgeschwindigkeit ihrer Rahmenbedingungen und ist damit Teil der VUKA-Welt.

Mit dem Begriff der VUKA-Welt wird zusammenfassend beschrieben, dass die Rahmenbedingungen für soziale Unternehmen durch Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität (Mehrdeutigkeit) geprägt sind. Das ist zwar ein neuer Begriff, aber von der Sache her nicht wirklich neu. Bisher sprachen wir von einer zunehmenden Entwicklungsdynamik. Diese Dynamik wird sich unter dem Einfluss der aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen (Megatrends) wie u.a. Digitalisierung, Urbanisierung, Individualisierung und der demografischen Entwicklung weiter verstärken. Dies bildet sich auch in den aktuellen gesetzlichen Veränderungen von den PSG I, II, III, BTHG oder auch den Diskussionen um die Novellierung des SGB VIII ab.

Um in einem dynamischen Umfeld erfolgreich sein zu können, brauchen die Unternehmen der Sozialwirtschaft ein agiles Management, müssen selbst zu agilen Organisationen werden.

Traditionelle Unternehmen fokussieren sich sehr stark auf sich selbst, das gilt ganz besonders auch für die Unternehmen der Sozialwirtschaft mit einer stark an bestimmten Werten ausgerichteten Unternehmenskultur. Eine starke Wertebasis ist nichts Schlechtes, darf aber nicht dazu führen, dass ein Unternehmen der Sozialwirtschaft sich von den Anforderungen seiner Umwelt und insbesondere von den Anforderungen seiner Kunden entkoppelt
Agiles Management ist reaktionsfähig und handlungsfähig, basiert auf der Delegation von Verantwortung, nutzt ganz bewusst iterative Prozesse, lebt eine teambasierte Ablauforganisation und eine konsequente Ausrichtung auf die Kundenwünsche. Hier führt unsere Entwicklung hin, denn gerade die unbedingte Ausrichtung auf den Kunden wird auch von den gesetzlichen Rahmenbedingungen stark betont. Bei der Ausrichtung der Leistungsprozesse auf den Kunden, geht es nicht darum, was wir dem Kunden für ein Leistungsspektrum anbieten, sondern darum, was der Kunde von uns möchte.

Controlling und Treasury bezeichnen landläufig kaufmännische Steuerungsinstrumente zur Abbildung des wirtschaftlichen Erfolgs bis hin auf die Ebene der eingehenden Zahlungen (Schubert/Clausen 2018).

Mit Blick auf die Erfolgssteuerung und die Instrumente des kaufmännischen Managements hat sich das Controlling als Steuerung über Budgets (als Ergebnis einer annahmen- und maßnahmenbasierten Wirtschaftsplanung) sowie monatliche Plan-Ist-Vergleiche (gerne auch als Soll-Ist-Vergleiche mit Prognose aufs Jahresende) mit weiter Verbreitung durchgesetzt. Deutlich weniger stark stehen die Finanzströme im Focus, die zum Teil selbst in großen Sozialunternehmen nicht mittels eines systematischen Instrumentariums einer durchgängigen Steuerung zugänglich gemacht werden. Mit der Entwicklung des Treasury gilt es nun, das Verständnis des wirtschaftlichen Erfolges auf die Zahlungsströme hinter den Budgetberichten zu lenken, da der wirtschaftliche Erfolg erst realisiert ist, wenn das Geld für die erbrachten Leistungen auf dem Konto eingegangen ist. Dabei umfasst das Treasury alle Aufgaben, die sich mit der Sicherstellung heutiger und zukünftiger Zahlungsfähigkeit, der Finanzierung der Wertschöpfungskette und des Anlagevermögens sowie der Steuerung finanzieller Risiken eines Unternehmens befassen.
Leistungsgerichtete Controllinginstrumente bilden meist das Mengengerüst ab, qualitative Kennzahlen oder Indikatoren sind eher selten und die Abbildung der Kundenwünsche kommt so gut wie gar nicht vor.

Wir haben in der Sozialwirtschaft den funktionalen Dilettantismus abgelegt (Seibel 1992) und professionelle Steuerungsinstrumente entwickelt und stehen jetzt womöglich vor einem Dilemma:

Passen die Steuerungssysteme der Sozialwirtschaft noch zu den Anforderungen an das agile Management und die agile Organisation ?

Zur Beantwortung dieser Frage blicken wir auf zwei Gestaltungsaspekte:

a) Freiheitsgrade des Handelns
b) Umfang des Erfolgsbegriffs

Mit Blick auf die Freiheitsgrade des Handelns geht es darum, ob die Steuerungssysteme Agilität zulassen oder zu einer starren und hierarchischen Organisation führen.
Moderne Steuerungssysteme sind so zu gestalten, dass die Verfahren und Instrumente nicht als Hängematte für Betriebsblindheit dienen, sondern als Plattform für Verbesserungen. Dies gelingt am besten, wenn die Steuerungsinstrumente zwar einen Rahmen vorgeben, dieser aber nicht bis in kleinste Details ausdifferenziert wird, sondern ein Entwicklungsziel beschreibt, den Weg der Zielerreichung aber nicht vorgibt, sondern dies dem Management überlässt, gleichzeitig aber Hinweise gibt auf Handlungsbedarfe.
Damit kann das Management situativ entscheiden, wie den jeweils aktuellen Anforderungen begegnet werden soll. Dies setzt natürlich voraus, dass das Management auch über die notwendige Entscheidungskompetenz verfügt und schnell agieren kann, anstatt sich erst eine Genehmigung einholen zu müssen. (Schubert 2018)
In einem derart gestalteten Steuerungssystem bieten die Verfahren und Instrumente dann gleichzeitig ein erforderliches Maß an Sicherheit und sorgen vor allem auch für die notwendige Transparenz, mit der die Folgen von Entscheidungen zeitnah sichtbar gemacht werden. Damit können dann notwendige Kurskorrekturen unmittelbar erfolgen.
Die Freiheitsgrade des Handelns können aber auch zu weit ausgelegt sein, dann wäre auf einmal alles Agil, Situativ und Prozessual. Was sich wie der Traum einer pädagogischen Leitungskraft anmutet, stößt aber schnell an seine Grenzen. Die Sozialwirtschaft bewegt sich in einem administrativ-regulatorischen Rahmen, der gleichzeitig auch die Voraussetzungen für die Vergütung der Leistungen vorgibt. Hier ist es sinnvoll, auf Grundlage einer schlanken und stabilen Prozessorganisation die Anforderungen abzuhaken, um die Freiheitsgrade dann umso mehr zu nutzen, wenn es um die Ausrichtung der Organisation auf die individuellen Kundenwünsche geht, Innovationen entstehen sollen (Schubert 2018).

Mit Blick auf den Umfang des Erfolgsbegriffs geht es darum, ob ein Steuerungssystem nur einzelne Aspekte des Unternehmenserfolges erfasst oder einen umfassenden Erfolgsbegriff abbildet. Die aktuell eingesetzten Steuerungssysteme richten sich oft auf quantitative Erfolgsdimensionen, wie Leistungs- oder Personalanhaltszahlen oder wirtschaftliche Ergebnisziele. Das agile Management braucht aber auch ein agiles Controlling, d.h. die konsequente Ausrichtung auf den Kundennutzen muss in den Steuerungssystemen sichtbar gemacht werden. Diskussionen über die Digitalisierung sozialer Arbeit skizzieren in diesem Zusammenhang Plattform-Lösungen als technische Basis, um nachgefragte Leistungen und Anbieter zusammen zu bringen. Diese Entwicklungsrichtung könnte die traditionelle Sozialwirtschaft revolutionieren.

Die nachfolgende Abbildung zeigt an Hand eines Prozessmodells die notwendige Erweiterung der Steuerungsinstrumente auf den Kundennutzen.

Quelle: eigene Darstellung

Ein agiles Controlling soll dabei das unternehmerische Erfolgskonzept nicht nur auf den Kundennutzen ausdehnen, die Leistungsnachfragen abbilden, sondern soll auch die Leistungswünsche als Grundlage für die Entwicklung von Leistungen und Angebotsformen abbilden.

Agiles Management und Controlling müssen sich also nicht widersprechen, sondern können sich sinnvoll ergänzen. Geeignete Steuerungssysteme müssen auf der einen Seite Sicherheit geben und Transparenz erzeugen, dürfen aber Handlungsmöglichkeiten des Managements nicht so stark einschränken, dass keine Agilität mehr möglich ist. Dies wird auch als Ambidextrie (Beidhändigkeit) bezeichnet.

Ambidextrie beschreibt als Paradigma ein agiles Management und eine agile Organisation auf der Basis stabiler Prozesse, Verfahren und Instrumente.

Um also als Unternehmen der Sozialwirtschaft in der VUKA-Welt erfolgreich bleiben zu können, müssen die Steuerungssysteme nicht abgeschafft, aber doch weiterentwickelt werden. Eine spannende Herausforderung für uns alle.